„Die Demo war richtig“ – SPD-Politikerin Irena Rudolph-Kokot verteidigt Protest vor Westin-Hotel

Sie trug Gil Ofarims Antisemitismus-Vorwurf auf die Straße. Nun erklärt Irena Rudolph-Kokot, warum sie ihren Protest vor dem Westin in Leipzig nicht bereut.

Kaum war Gil Ofarims Vorwurf gegen den Hotelmitarbeiter W. in der Welt, geriet das Westin ins Fadenkreuz zahlreicher Medien, Politiker und Aktivisten. Landespolitiker twitterten, an der Rezeption gingen Drohanrufe <ein – und vor dem Hotel selbst demonstrierten rund 500 Menschen gegen Antisemitismus, darunter auch Hotel-Mitarbeiter.

Die Anmelderin der Demo am 5. Oktober 2021: „Leipzig nimmt Platz“-Initiatorin Irena Rudolph-Kokot, die sich 2016 erfolgreich dem islamophoben „Legida“-Bündnis in den Weg stellte. Nach der Einstellung des Verfahrens spricht sie nun im LVZ-Interview über ihre Entscheidung von damals – und ob es schwerer ist, eine Lüge zuzugeben, wenn einem bereits viele den Rücken stärken.

Frau Rudolph-Kokot, Gil Ofarim hat vor Gericht erklärt, dass er gelogen hat. Es gab keinen antisemitischen Vorfall im Westin. Überrascht Sie das?

Er überrascht mich, dass er kürzlich noch sagte, er würde das Video wieder so aufnehmen. Nun hat er offenbar gelogen. Dann ist das eben so. Entscheidend finde ich, dass Gil Ofarim allen tatsächlich Betroffenen von Antisemitismus sehr geschadet hat.

Sie haben Ofarim damals geglaubt und eine Demonstration gegen Antisemitismus vor dem Hotel organisiert. War das ein Fehler?

Nein, die Demo war kein Fehler. Wir als Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ sehen es auch weiterhin als unsere Aufgabe, Betroffenen von rechter Gewalt, von Antisemitismus oder sexistischen Übergriffen grundsätzlich erst mal zu glauben.

„Es war wichtig, dass die Stadtgesellschaft sich positioniert“

Haben Sie bei Ihrer Demo mit eingeplant, dass auch alles erfunden sein könnte?

Es ging bei der Demo nicht nur um den Fall an sich. Sondern auch darum, der Welt zu zeigen, dass wir in dieser Stadt keinen Antisemitismus dulden. Es gab an diesem Tag ja tatsächlich weltweite Berichterstattung über einen antisemitischen Vorfall in Leipzig. Ich erinnere mich an einen gewissen Drang verschiedenster Leute, jetzt allen zu zeigen: Hier gibt es welche, die dagegen aufstehen.

Sie haben mit der Demo Leipzigs guten Ruf verteidigt?

Ich sehe das so. Wir denken immer, wir kochen hier unser kleines Leipziger Süppchen. Aber damals gab es eine weltweite Welle der Empörung. Für uns war es ganz wichtig, dass die Stadtgesellschaft sich positioniert. Dass Leipzig nicht als gruselige, rechte Stadt dasteht.

Das hätte man auch auf dem Markt zeigen können. Warum musste man vor dem Hotel demonstrieren?

Wir haben damals versucht, das Hotel zu kontaktieren, aber so schnell hat es nicht geklappt. So kam es zu der Entscheidung, dass wir vor Ort das Angebot machten, eine Rede zu halten und teilzunehmen.

In Form einer Demonstration?

Natürlich sah das für das Hotel erst mal negativ aus. Bis dann auch die Hotelmitarbeiter kamen. Wir haben ja schnell bemerkt, dass es vom Hotel selbst das Bedürfnis gab, zu demonstrieren. Erst durften wir auf das Gelände, dann kamen die Angestellten mit einem eigenen Banner dazu. Ich weiß noch, dass ich damals dachte: Die wissen garantiert mehr als wir.

„Wir stehen grundsätzlich an der Seite jüdischer Menschen“

Haben Sie mit der Demonstration Druck auf die Westin-Belegschaft ausgeübt?

Wir haben sehr genau darauf geachtet, dass wir niemanden vorverurteilen, auch keine Hotelmitarbeiter. Stattdessen haben wir uns gemeinsam positioniert und gesagt: Wir stellen uns jedem Antisemitismus entgegen. Welche PR-Strategie das Hotel selbst verfolgt, ist nicht unser Part. Genauso wenig wie die Aufklärung. Das müssen Gerichte machen.

Das haben sie nun – und Ofarims Story als Lüge enttarnt. Sie und andere werden nun für ihre vorschnellen Reaktionen kritisiert. Etwa der sächsische Vize-Ministerpräsident Martin Dulig, der damals twitterte: „Wir haben noch viel zu tun in Sachsen!“

Ich finde die Reaktionen von damals immer noch richtig. Die deutsche Geschichte ist nun mal, wie sie ist. Daher stehen wir grundsätzlich an der Seite jüdischer Menschen. Meine Sorge ist eher, dass Gil Ofarims Lüge künftig immer wieder hervorgeholt wird, wenn es um Betroffene geht.

Es gab auch Menschen, die Gil Ofarim von Anfang an nicht glaubten. Sie hatten keine Zweifel?

Ich musste ihn erst mal googeln, das ist nicht meine Musik. Ich wollte vor allem wissen, ob er wirklich jüdische Wurzeln hat. Dadurch habe ich relativ viel über seinen Vater gelesen. Da hatte ich keine Zweifel mehr. Auf die Idee, dass jemand mit so einem Hintergrund sich etwas ausdenkt, wäre ich nicht gekommen. Vor allem, dass er es so hartnäckig und ausdauernd behauptet und weiterverbreitet.

Haben Sie Ofarim den Ausweg aus der Lüge durch die Demo versperrt? Weil man nur schwer zurück kann, wenn einem schon so viele den Rücken stärken?

Das glaube ich nicht. Er scheint, im Gegenteil, nicht wirklich Notiz von uns genommen zu haben. So weit ich weiß, hat er sich nie dazu geäußert. Wir haben auch versucht, ihn zu kontaktieren – leider erfolglos.